Der Mensch wurde als eine Komposition aus Körper und Geist erschaffen. So zieht der Geist ihn in die [spirituelle] Höhe und erinnert ihn an seine Stellung, seinen Ausgangspunkt, sein Ziel und seine Aufgabe. Zudem öffnet er in ihm den Weg zur Welt, aus der er hergekommen ist, und zu seinem Potenzial, seiner Schönheit, seiner Grazie und seiner Reinheit. Des Weiteren entfacht er in seinen inneren Sehnsüchten und Ambitionen und erweckt in ihm Widerstand gegen die träge Materie.
So schwingt er sich hinauf in weite Atmosphären und löst sich von seinen Ketten und Lasten. Sodann werden ihm Hunger und Durst und das Abwenden des Blickes von Vergnügungen sowie die Entledigung von Gelüsten lieb gemacht.
Der Körper hingegen zieht ihn durch seine Dichte und Schwere in Richtung Erde und hin zum Verlangen nach Essen und Trinken und zum Stillen der Gelüste.
Daher leidet er, wenn er Hunger hat, Durst erträgt er nicht, und es fesselt ihn der Glanz der Attraktionen, sodass er, während er sich auf dem Höhepunkt seiner Zivilisiertheit und Kultiviertheit sowie auf dem Gipfel seines Wissens und seiner Bildung befindet – weit entfernt vom Gipfel seines Glaubens und seiner Spiritualität -, nunmehr ein Leben zwischen Restaurant und Toilette führt und daneben weder einen Ausgangspunkt noch ein Endziel kennt. Und außer dem Hin- und Hergehen zwischen diesen beiden Orten kennt er keinerlei Beschäftigung und Bemühung. So stirbt in seinem Inneren jegliches Verlangen außer dem Verlangen nach Essen und Trinken ab. Und jedes Gefühl außer dem Gefühl von Genuss und Vergnügen ermattet in ihm. Und jegliche Sorge außer der Sorge um den Einkommenserwerb und den Lebensunterhalt verlässt ihn.
Und wenn die tierische Natur Überhand gewonnen, die Zügel des Lebens übernommen und sich der Wahrnehmungen des Menschen sowie seiner Sinne bemächtigt hat, so findet er sein ganzes Leben lang keine freie Zeit, kein reines Herz, keinen wachen Verstand und kein lebendiges Gewissen. Anbetungshandlungen, Gedenken Allâhs, Gehorsam, Nachdenken und Reinheit fallen ihm infolgedessen schwer.
„…Und wenn sie sich zum Gebet hinstellen, stellen sie sich schwerfällig hin, wobei sie von den Menschen gesehen werden wollen, und gedenken Allâhs nur wenig.“
Und so kam die prophetische Botschaft und errettete die vom tyrannisch herrschenden Materialismus bedrohte Menschheit und etablierte die Maßstäbe der ausgewogenen Gerechtigkeit im Leben. Zudem brachte sie den Menschen auf schöne Weise zurück zum Ziel, für das er erschaffen ist, nämlich zur Anbetung. Daher ordnete sie das Fasten an, um vom Übel dieses Materialismus bewahrt zu werden und die Seele mit einer spirituellen und glaubensorientierten Ladung aufzuladen, mit der sie ihre Ausgewogenheit im Leben bewahren und den Attraktionen der Gelüste Widerstand leisten kann.
Al-Ghazâlî () sagte: „Immer wenn sich der Mensch völlig dem Gelüsten hingibt, sinkt er zu den Niedrigsten der Niedrigen herab und schließt sich der Herde der Tiere an. Und immer wenn er die Gelüste unter Kontrolle hält, steigt er zu den höchsten der hohen Stufen auf und erreicht den Horizont der Engel.“
Ibnu Al-Qayyim () sagte: „Da das Wohlergehen des Herzens und seine Standhaftigkeit auf dem Weg seiner Reise zu Allâh – dem Erhabenen – davon abhängen, dass es völlig auf Allâh fokussiert, und die Überführung seiner Zerstreutheit zu Ordnung durch seine völlige Hinwendung zu Allâh erfolgt – denn nur die Hinwendung zu Allâh kann das Herz zu Ordnung führen, wenn es zerstreut ist – und das Übermaß an Essen und Trinken sowie das übermäßige Mischen unter die Geschöpfe und das übermäßige Reden sowie das Übermaß an Schlaf zu den Dingen gehören, die seine Zerstreutheit vermehren, ihn in allerlei Täler zersprengen und ihn von seiner Reise zu Allâh dem Erhabenen abhalten bzw. ihn stehenbleiben lassen oder behindern, bedingte die Gnade des Mächtigen und Allbarmherzigen gegenüber Seinen anbetend Dienenden, die Gesetzesvorschrift des Fastens zu erlassen, das das Übermaß an Essen und Trinken hinwegnimmt und das Herz von der Beimischungen der Gelüste, die bei seiner Reise zu Allâh dem Erhabenen behindern, befreit. Und Er erließ sie in einem dem Wohl und Nutzen entsprechenden Maß, sodass der anbetende Dienener sowohl in seinem diesseitigen Leben als auch in seinem Jenseits davon profitiert und es ihm weder schadet noch von seinen sofort anstehenden und später zu erledigenden Anliegen abhält.“
Ibnu Al-Qayyim sagte des Weiteren: „Und da es zu den mühseligsten und schwierigsten Dingen gehört, den Seelen deren Gewohnheiten und Gelüsten abzugewöhnen, verzögerte sich seine verpflichtende Anordnung bis zur mittleren Periode des Islâm nach der Hidschra. Als sich die Seelen dann im Monotheismus wie auch im rituellen Gebet fest verwurzelt und sich an die Anordnungen des Qurân gewöhnt hatten, gingen sie stufenweise zu ihm [dem Fasten] über. Seine verpflichtende Anordnung erging im zweiten Jahr nach der Hidschra, so dass Allâhs Gesandter (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken), als er verstarb, neun Mal im Monat Ramadân gefastet hatte.“ (Zâd Al-Ma’âd).